In der Praxis haben sich zwei Methoden bewährt, um die Regelparameter für eine übliche Regelstrecke mit Ausgleich zu finden:
- Wenn eine Sprungantwort aufgenommen werden kann, können die Formeln nach Chien/Hrones/Reswick für die Ersteinstellung genutzt werden.
- Wenn keine Sprungantwort aufgenommen werden kann, kann diese praktische Methode genutzt werden.
- Um die Regelung zu optimieren, sind diese Einstellregeln nützlich.
Das Ziel der Einstellung des Reglers ist meistens das schnelle Erreichen des Sollwerts mit einem kurzen Überschwingen.
Dabei gilt: So schnell wie nötig, aber so langsam wie möglich. Hintergrund: Je langsamer die Regelung, desto stabiler bei anderen Arbeitspunkten.
Die Einstellparameter mit Hilfe der Sprungantwort ermitteln:
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Regler deaktivieren und Regelstrecke stabilisieren lassen, sodass der Istwert (= Regelgröße x) bei konstanter Stellgröße y stabil bleibt. |
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Manuell andere Stellgröße vorgeben. |
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Die Sprungantwort (Verlauf von Stellgröße y und Regelgröße x) im Trenddiagramm aufzeichnen, sodass sich ein Diagramm ähnlich wie in Abbildung 1 ergibt. |
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Wie in Abbildung 1 die Wendetangente einzeichnen. |
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Verzugszeit \(T_u\) und Ausgleichszeit \(T_g\) wie in Abbildung 1 bestimmen. (Zusatzinformation: Wenn \(T_g < 3 \cdot T_u \), ist die Strecke schwer regelbar.) |
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\(\Delta x\) und \(\Delta y\) aus dem Diagramm in ermitteln und Übertragungsfaktor \(K_s\) mit der Formel \(K_s = \frac{\Delta x}{\Delta y}\) berechnen. |
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Mit Hilfe der Formeln von Chien/Hrones/Reswick in der nachstehenden Tabelle 1 (kein Überschwingen) oder der Tabelle 2 (20 % Überschwingen ist okay) den Proportionalbeiwert \(K_p\), die Nachstellzeit \(T_n\) und die Vorhaltezeit \(T_v\) für die Einstellung des Reglers berechnen. Wenn häufig mit Störungen zu rechnen ist, die Formeln in der Spalte "Optimiert auf Störungen" verwenden. Wenn Störungen eher selten und gering sind, aber oft Sollwertänderungen stattfinden, die Spalte "Optimiert auf Sollwertänderungen" verwenden. Wenn beides auftritt, muss ein Kompromiss zwischen beiden Werten gefunden werden. |
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Die Einstellung testen und ggf. mit Hilfe der Abbildungen 2 und 3 nachoptimieren. |
Tabelle 1: Faustformeln für Einstellparameter (ohne Überschwingen) nach Chien/Hrones/Reswick.
Regler | Optimiert auf Störungen | Optimiert auf Sollwertänderungen | |
---|---|---|---|
PI | $$K_p$$ | $$0,6 \cdot \frac{T_g}{T_u \cdot K_s}$$ | $$0,35 \cdot \frac{T_g}{T_u \cdot K_s}$$ |
$$T_n$$ | $$4 \cdot T_u$$ | $$1,2 \cdot T_g$$ | |
PID | $$K_p$$ | $$0,95 \cdot \frac{T_g}{T_u \cdot K_s}$$ | $$0,6 \cdot \frac{T_g}{T_u \cdot K_s}$$ |
$$T_n$$ | $$2,4 \cdot T_u$$ | $$1 \cdot T_g$$ | |
$$T_v$$ | $$0,42 \cdot T_u$$ | $$0,5 \cdot T_u$$ |
Tabelle 2: Faustformeln für Einstellparameter (20 % Überschwingen) nach Chien/Hrones/Reswick
Regler | Optimiert auf Störungen | Optimiert auf Sollwertänderungen | |
---|---|---|---|
PI | $$K_p$$ | $$0,7 \cdot \frac{T_g}{T_u \cdot K_s}$$ | $$0,6 \cdot \frac{T_g}{T_u \cdot K_s}$$ |
$$T_n$$ | $$2,3 \cdot T_u$$ | $$1 \cdot T_g$$ | |
PID | $$K_p$$ | $$1,2 \cdot \frac{T_g}{T_u \cdot K_s}$$ | $$0,95 \cdot \frac{T_g}{T_u \cdot K_s}$$ |
$$T_n$$ | $$2 \cdot T_u$$ | $$1,35 \cdot T_g$$ | |
$$T_v$$ | $$0,42 \cdot T_u$$ | $$0,47 \cdot T_u$$ |
Die Einstellparameter ohne Aufnahme der Sprungantwort mit praktischer Methode ermitteln
Diese Methode ist bei sehr langsamen Regelstrecken ungünstig, weil häufiges Ausprobieren notwendig ist.
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Strecke stabilisieren lassen, sodass der Istwert (= Regelgröße x) bei konstanter Stellgröße y stabil bleibt. |
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I-Anteil und D-Anteil des Reglers deaktivieren und damit den Regler als reinen P-Regler betreiben. \(K_p\) zunächst sehr klein wählen. |
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Sollwertsprung durchführen und die Sprungantwort beobachten. Wenn der Istwert deutlich überschwingt, sich danach aber nach zwei bis drei weiteren Schwingungen stabilisiert (ähnlich Abbildung 2), behalten wir den Wert bei und machen beim nächsten Schritt weiter. Andernfalls \(K_p\) weiter erhöhen bis das Verhalten zufriedenstellend ist. |
4
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Den I-Anteil aktivieren, indem zunächst eine große Nachstellzeit \(T_n\) gewählt wird. \(T_n\) zunächst etwa so groß wählen, wie die Regelstrecke nach einem Sprung braucht um wieder stabil zu sein (grobe Abschätzung reicht). Die Nachstellzeit schrittweise verringern bis ein deutliches Überschwingen auftritt, aber danach der Sollwert nach ein bis zwei weiteren Schwingungen erreicht wird. |
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Wenn die Regelung noch schneller reagieren soll und der Istwert ein glattes Signal liefert (kein Rauschen) kann auch der D-Anteil aktiviert werden. Wenn der Istwert immer wieder kleine Ausschläge enthält, ist es ratsam, das Signal zunächst zu glätten oder den D-Anteil zu deaktivieren mit \( T_v = 0\). Praktisch wird die Vorhaltezeit oft \( T_v = 0,25 \cdot T_n\) gewählt. Dann schrittweise verringern und nach dem obigen Prinzip die Sprungantwort beobachten. |
Die Einstellparameter optimieren
- Der Istwert schwingt stark: \(K_p\) verringern
- Der Istwert verhält sich sehr träge: \(K_p\) erhöhen
- Der Istwert läuft zu langsam gegen den Sollwert: \(T_n\) verringern
- Der Istwert erreicht den Sollwert sehr schnell und schwingt: \(T_n\) erhöhen
- Der Istwert wird von einem Rauschen überlagert: D-Anteil deaktivieren (\(T_v = 0\))
Quellen
- https://de.wikipedia.org/wiki/Faustformelverfahren_(Automatisierungstechnik)
- Wellenreuther und Zastrow, Automatisieren mit SPS. Vieweg 2005, 3. Aufl., S. 339
- Fernlehrgang SPS-Technik und IEC-Programmierung. Fernschule Weber, Lehrbrief 7, Ausgabestand 4.0, S. 28f.
- https://tlk-energy.de/blog/pid-regler-einstellen
- eigene Erfahrungen